Die Nationale Versorgungsleitlinie mahnt an:

Zu viele Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen im Krankenhaus

Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen werden viel zu häufig ins Krankenhaus eingewiesen. Während ihres Klinikaufenthaltes kommt es weder zu Operationen noch spezifischen Schmerztherapien. Für die Bekämpfung der Ursachen und Linderungen ihrer Schmerzen sind ambulante Maßnahmen oft sogar besser geeignet.

Zu dieser Schlussfolgerung kommen die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrer Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL), die sie gemeinsam in regelmäßigen Abständen herausgeben.

Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen werden viel zu häufig ins Krankenhaus eingewiesen. Während ihres Klinikaufenthaltes kommt es weder zu Operationen noch spezifischen Schmerztherapien. Für die Bekämpfung der Ursachen und Linderungen ihrer Schmerzen sind ambulante Maßnahmen oft sogar besser geeignet.

Zu dieser Schlussfolgerung kommen die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrer Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL), die sie gemeinsam in regelmäßigen Abständen herausgeben.

Veröffentlichung

Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, Kurzfassung , 2. Auflage“, Version 1, 2017, (Zugriff am 03.02.2023). Externer Link Icon

Die aktuelle Nationale Versorgungsleitlinie zu „Nicht-spezifischem Kreuzschmerz“, also für Rückenschmerzen im unteren Bereich, bei denen keine spezifische Ursache feststellbar ist, stellt dazu fest:

„Die Möglichkeiten der konservativen Therapie im ambulanten Bereich würden nicht ausgeschöpft und Patienten mit unklaren, wirbelsäulenbedingten Schmerzen häufig in internistischen oder chirurgischen Abteilungen stationär behandelt, ohne dort eine spezifische und funktionelle Behandlung zu erhalten“.1)

Dass viele Rückenschmerzpatienten eine Fehlversorgung erhalten, ist keine neue Erkenntnis. Bereits 2001 kam die NVL zu einer ähnlichen Einschätzung. In der Zwischenzeit hat sich daran offensichtlich wenig geändert. Im Datenerhebungszeitraum von 2007 bis 2015 stellte die NVL fest, dass es bei der Diagnose „Rückenschmerzen“ zu einer Steigerung von 73 Prozent bei stationären Krankenhausaufenthalten kam.

Was ist das Nationale Versorgungs-Leitlinien-Programm?

Das sagt das NVL über sich:

Das Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL) ist eine gemeinsame Initiative von Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften zur Qualitätsförderung in der Medizin.

Ziele und Grundlagen

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und die Selbstverwaltungskörperschaften der Ärzteschaft (BÄK und KBV) entwickeln seit vielen Jahren Leitlinien. Diese sind in der Regel auf spezifische Krankheitssituationen und definierte Teilbereiche des Versorgungsgeschehens ausgerichtet.

Zweck der Leitlinien

Zur Förderung der Vernetzung medizinischer Leistungen in übergreifenden Versorgungsformen (z. B. Disease Management Programme (DMP), Verträge zur Integrierten Versorgung (IV)) werden Leitlinien benötigt, die diese Aspekte ergänzen und Lösungen für Schnittstellen zwischen verschiedenen Sektoren, aber auch zwischen den verschiedenen beteiligten Disziplinen und Gesundheitsberufen anbieten („Versorgungs-Leitlinien“).

Aktuell sind zu acht Krankheitsbildern NVLs vorhanden. Eine davon behandelt Kreuzschmerz.

Die konkreten Zahlen: Wurden im Jahr 2007 noch 84.000 Patienten jährlich stationär aufgenommen, waren es im Jahr 2015 200.000.2) Ein Argument, das an dieser Stelle häufig angeführt wird, ist der Einfluss der veränderten Altersstruktur unserer Gesellschaft: Immer mehr Menschen werden immer älter. Je älter sie werden, desto häufiger treten altersbedingte Erkrankungen auf.

Diese demografische Entwicklung unserer Gesellschaft beeinflusst die Steigerung der Krankenhauseinweisungen jedoch nur zu einem kleinen Teil, wie die statistische Auswertung ergab. Mit einer Zunahme von 7 Prozent trägt sie nur geringfügig dazu bei.

Die Gründe für diese Entwicklung der Klinikeinweisungen sind vielfältig. Eine der Ursachen ist die Diagnostik: Die Barmer GEK stellte in einer Untersuchung 20153) fest, dass über die Hälfte der mit Rückenschmerzen eingewiesenen Patienten während ihres Krankenhausaufenthaltes nicht mal eine multimodale4) oder interventionelle Schmerztherapie5) erhalten.

Grafik mit Steigerung der Krankenhausaufenthalte bei unspezifischen Rückenschmerzen um 73% im Zeitraum 2007 bis 2015. Steigerung aufgrund von demografischer Entwicklung liegt bei 7%.

© Liebscher & Bracht  

Die Patienten bleiben oft nur ein bis drei Tage im Krankenhaus. Während dieser Zeit werden vorwiegend radiologische Diagnosen durchgeführt. Die Hälfte aller angewendeten Maßnahmen beliefen sich auf Leistungen der bildgebenden Diagnostik, gefolgt von weiteren etwa 20 Prozent anderer Diagnostikleistungen und etwa 20 Prozent nichtoperativer Maßnahmen wie einer funktionsorientierten physikalische Monotherapie.6)

Für keine dieser Maßnahmen ist ein stationärer Aufenthalt notwendig. Eine ambulante Versorgung kann dieses Verfahren ebenso gut gewährleisten und verursacht deutlich geringere Kosten.

Tortendiagramm mit Verteilung Behandlungsart im Krankenhaus bei unspezifischen Rückenschmerzen. 50% bildgebende Diagnostik, 20% andere Diagnostikleistungen, 20% nichtoperative Maßnahmen, 10% Sonstiges.

© Liebscher & Bracht  

Viele Klinikeinweisungen deuten auf eine Fehlversorgung hin

Diese Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass in unserer Gesellschaft die Erwartungshaltung verbreitet ist, mit Hilfe einer bildgebenden Diagnostik die Ursache der Schmerzen schnell und zuverlässig zu finden. Kliniken genießen im Allgemeinen den Ruf, technisch optimal ausgestattet zu sein und über Ärzte zu verfügen, die auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand arbeiten. Es wird vermutet, dass das die Hauptgründe dafür sind, weshalb sich Patienten in eine Klinik einweisen lassen.7) Sie hoffen demnach, dort eine schnelle und umfassende Abklärung der Schmerzursache und in einem nächsten Schritt eine qualifizierte Empfehlung für weitere Behandlungsschritte zu erhalten.

Das ist aber oft ein Trugschluss. Bei etwa 85 Prozent der akuten Rückenschmerzen liegt keine eindeutige Ursache vor.8) Aus medizinischer Sicht gelten sie als harmlos. Die Schmerzen bessern sich in den meisten Fällen früher oder später und bedürfen nur einer sehr begrenzten symptomatischen medizinischen Behandlung.9)

Eine wesentliche Rolle zu der Steuerung eines sinnvollen Umgangs mit Rückenschmerzen kommt dabei dem niedergelassenen Arzt zu. Die NVL empfiehlt, dass der behandelnde Arzt dem Patienten Folgendes erklärt:

  1. Die meisten Rückenschmerzen sind ungefährlich
  2. Es gibt eine gute Prognose einer Verbesserung des Krankheitsbildes ohne Intervention
  3. Eine Beibehaltung der Alltagsaktivitäten trägt zur Genesung bei

Der behandelnde Arzt trifft auch die Entscheidung, ob bildgebende Verfahren eingesetzt werden. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen stellte bereits im Jahr 2001 fest, dass zu viele Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen gemacht werden. Diese Über- und Fehlversorgung besteht nach wie vor.10) Mehr als 50 Prozent der Patienten, die eine bildgebende Aufnahme erhielten, haben in den 3 Monaten davor keine konservative Therapie wie zum Beispiel eine Physiotherapie durchgeführt. Im internationalen Vergleich steht Deutschland mit der Gesamtanzahl an MRT-Aufnahmen an der Spitze.

Gute Patientenaufklärung ist gefragt und Hilfe zur Selbsthilfe

Wie häufig bei Krankheiten der Wirbelsäule eine Einweisung in ein Krankenhaus erfolgt, hängt zu einem großen Teil davon ab, wie gut die ambulanten Versorgungsstrukturen und -angebote sind. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sind in der Regel die ersten Anlaufstellen für Rückenschmerzpatienten. Sie können den Patienten helfen, das Ausmaß ihrer Erkrankung und den zu erwartenden Heilungsverlauf einzuordnen. Sie können Empfehlungen aussprechen, ob und wenn ja, welche konservativen Verfahren zur Unterstützung des Heilprozesses angezeigt sind, sie können feststellen, wann eine bildgebende Diagnostik eingesetzt werden sollte.

In vielen Fällen ist es sinnvoll, zunächst mit konservativen Maßnahmen wie gezielten physiotherapeutischen Übungen gegen die Schmerzen vorzugehen. Je besser die Betroffenen aktiv an ihrer Genesung mitarbeiten, desto größer ist für sie die Chance, ihre Rückenschmerzen schnell und dauerhaft loszuwerden.

Quellen & Studien

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