Verkürzte Muskeln: Warum werden wir unbeweglich?

1. Warum werden wir unbeweglich?
Es scheint eine gängige Begleiterscheinung des Alters zu sein: Menschen werden mit den Jahren immer unbeweglicher. Doch liegt das an Verkürzungen in der Muskulatur? Tatsächlich kann sich die Länge von Muskelfasern je nach Belastung verändern.1) Doch wenn wir von „verkürzten“ Muskeln sprechen, dann meinen wir eher die Dehnungsfähigkeit oder Elastizität bestimmter Muskelgruppen.

Ein Beispiel: Quadrizeps
Du kennst bestimmt die Dehnübung, bei der eine Person in Bauchlage ein Bein anwinkelt und den Fuß zum Gesäß ziehen möchte. Bei fast allen Kindern funktioniert das ohne Probleme. Älteren Menschen fällt die Dehnung häufig schwer. Das liegt an der Elastizität des Oberschenkelmuskels (Quadrizeps). Wenn die muskulär-fasziale Spannung am Oberschenkel zu hoch ist, dann ist er weniger dehnfähig und der Dehnungsschmerz setzt früher ein. Oder anders gesagt: Der Oberschenkel ist verkürzt.
Der Grund für die Bewegungseinschränkungen sind unsere alltäglichen Bewegungsmuster:
- Im Körper existiert ein Netz aus elastischem Bindegewebe, die sogenannten Faszien. In einer feinen Scherengitterstruktur umhüllen und verbinden sie unter anderem Organe, Nervenbahnen, Gelenke, Muskeln und Knochen.2) Jede einzelne Muskelfaser ist von einer Faszienhülle umgeben.3)
- Die Faszien sind durchblutet und voller sensorischer Rezeptoren: Sie messen Temperaturänderungen, Druck- und Zugkräfte und Änderungen im chemischen Milieu.4)
- Faszien müssen regelmäßig gedehnt werden, um elastisch zu bleiben. Bei Bewegung strömt Zwischenzellflüssigkeit und sie werden besser durchblutet. Kleine Bindegewebszellen (Fibroblasten) erhalten dadurch das Signal, die Struktur der Faszien geschmeidig zu halten.
- Wenn der Alltag hauptsächlich aus Sitzen oder einseitigen Bewegungsmustern besteht, passen sich die Faszien daran an. Sie versteifen und verkleben, jede Bewegung wird unangenehmer und die Spannung in der Muskulatur erhöht sich – die Muskulatur samt Faszien verkürzt.
- Unsere alltäglichen Bewegungsmuster prägen also maßgeblich die Struktur und Flexibilität unserer Faszien – und damit auch unserer Muskulatur.
Fazit: Nur wenn du deinen Körper regelmäßig in alle möglichen Bewegungswinkel bringst, können Faszien und Muskulatur elastisch bleiben. Wer viel sitzt, steht oder liegt lässt sein Gewebe „verkümmern“ und hat Verkürzungen im ganzen Körper.
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2. Warum leiden Gelenke darunter?
Wer viel sitzt und im Alltag nur eher eingeschränkte Bewegungsmuster ausführt, hat mit Sicherheit eine erhöhte Spannung in der Muskulatur und in den Faszien. Über Sehnen ziehen Muskeln und Faszien an Knochen und Gelenken und übertragen ihre Spannung auf das Skelett. Das kann den Druck im Gelenkspalt erhöhen:
- Auf Dauer steigt damit das Risiko für Arthrose. Denn der Knorpel im Gelenk hat nicht mehr genug Platz, um sich durch ein Wechselspiel aus Druck und Entlastung zu regenerieren. Gelenkknorpel ist an den meisten Stellen nicht durchblutet und daher auf das Schwammprinzip (Diffusion) angewiesen: Druck presst alte Flüssigkeit aus ihm heraus, Entlastung lässt frische, nährstoffhaltige Flüssigkeit nachfließen.
- Die zweite Folge einseitiger Bewegungsmuster ist, dass der Knorpel nicht in seiner ganzen Fläche belastet und entlastet wird. Wer also nicht alle von Natur aus möglichen Gelenkwinkel ausschöpft, lässt Bereiche des Knorpels im Gelenk verkümmern.
3. Woher kommen die Schmerzen?
Da im Knorpelgewebe selbst keine Schmerzrezeptoren sind, tun Knorpelschäden auch nicht weh und bleiben manchmal jahrelang unentdeckt. Aber die Gelenkinnenhaut und die Faszien sind voller Rezeptoren, die erhöhte Spannungen in Muskulatur und Faszien registrieren.5) Wenn eine akute Schädigung droht, projiziert das Gehirn Alarmschmerzen in die entsprechende Körperregion.
Du kannst dir also merken: Nicht alle Schmerzen kommen von einer strukturellen Schädigung. Viele Menschen haben völlig gesunde Gelenke und trotzdem Schmerzen. Andersherum existiert Knorpelverschleiß, der keine Schmerzen verursacht.
Wenn du allerdings über längere Zeit Schmerzen hast, die von einer zu hohen muskulär-faszialen Spannung verursacht werden, dann werde aktiv! Denn die Spannung in der Muskulatur und in den Faszien erzeugt Druck in deinen Gelenken sowie in den Bandscheiben der Wirbelsäule.
4. Was du gegen die Muskelverkürzungen tun kannst
Vermutlich ist es dir schon klar: Deine Muskelverkürzungen musst du wieder lang ziehen, um im Bild zu bleiben. Und das geht, egal wie alt du bist. Ein paar Muskelgruppen sind besonders von Verkürzungen oder verminderter Dehnbarkeit betroffen:
Der Brustmuskel
Im Oberkörper ist vor allem der Brustmuskel (Pectoralis Major) verkürzt: Häufiges Sitzen und alle Tätigkeiten, bei denen die Arme vor deinem Körper sind, arbeiten einer flexiblen Brustmuskulatur entgegen. Auf unserer Übungsseite zu Brustschmerzen bekommst du ein paar Dehnungen gezeigt, mit denen du die verkürzte Brustmuskulatur wieder in die Länge ziehen kannst.
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Der Hüftbeuger
Ein weiterer Muskel, der häufig verkürzt, ist der Hüftbeuger (Iliopsoas): Er verläuft vom Oberschenkel durch das Becken bis zur Wirbelsäule und ist im Sitzen (und im Schlafen in der Seitenlage) in seiner kürzesten Position. Eine zu hohe muskulär-fasziale Spannung am Hüftbeuger kann zu Rückenschmerzen, Gesäßschmerzen und Hüftschmerzen führen.
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Quellen & Studien
- ↑1 Franchi, M. V., Reeves, N. D., & Narici, M. V. (2017). Skeletal Muscle Remodeling in Response to Eccentric vs. Concentric Loading: Morphological, Molecular, and Metabolic Adaptations. Frontiers in physiology, 8, 447. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphys.2017.00447/full) ((Csapo, R., Maganaris, C. N., Seynnes, O. R., & Narici, M. V. (2010). On muscle, tendon and high heels. The Journal of experimental biology, 213(Pt 15), 2582–2588. https://doi.org/10.1242/jeb.044271
- ↑2 Schleip, Robert: Faszien und Nervensystem. 4. Jahrg. 1/ 2003. S. 20-28.
- ↑3 G. F. Jirikowski: Faszien und Aponeurosen des Bewegungsapparats. Ein komplexes System. Manuelle Medizin 2016 · 54:10–13.
- ↑4 Klingler, Werner et al. (2014): Faszien als Ursache von Schmerzsyndromen, In: Aktuelle Schmerzmedizin. S. 1-7.
- ↑5 Annegret Czernotta. Neurobiologische Mechanismen des Schmerzes. In: Psychiatrie & Neurologie. 5/ 2012. S. 8-9. https://www.rosenfluh.ch/media/psychiatrie-neurologie/2012/05/interview_Mense.pdf